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zur Zeitschrift für Psychiatrie, 63. Bd. 6. Heft.

Transitorische Aphasie bei Alkoholdelirien.1)

Von

Dr. C. F. v. Vleuten, Assistenzarzt der städtischen Anstalt zu Dalldorf.

Von den alkoholischen Geistesstörungen sind wohl jene Formen bisher am wenigsten bearbeitet worden, welche unter den Begriffen der atypischen Alkoholdelirien und der Alkoholdelirien bei Psychopathen Unterkunft fanden. Die Lehre von den Erscheinungen des typischen Delirium tremens hat durch eine große Anzahl von Forschern, zuletzt besonders durch Bonhöffers Monographie, einen vorläufigen Abschluß gewonnen. Auch das sogenannte chronische Alkoholdelirium, die Korsakowsche Psychose, ist, an der immerhin geringen Anzahl der Fälle gemessen, in überreichem Maße beachtet und beschrieben worden, und auch die akute Halluzinose der Trinker wurde in ihrer Eigenart abgegrenzt. Wenn etwas derartiges bei den sogenannten atypischen Alkoholdelirien in dem Maße bisher nicht geschah, so mag der Hauptgrund dafür vielleicht in dem Umstande zu suchen sein, daß sie, untereinander höchst verschieden, einer Zusammenfassung die größten Schwierigkeiten entgegenbringen.

Von diesen Delirien, die, vom Delirium tremens deutlich verschieden, gleichwohl ihren Ursprung aus dem Alkoholmißbrauche nicht verbergen können, möchte ich in folgendem versuchen, ein Zustandsbild abzuscheiden, das sich einer gesonderten Betrachtung wert erweisen dürfte. Bei der großen Anzahl der Alkoholpsychosen, die in unserer Anstalt zu Gesicht kommen, war es mir mehrmals

1) Nach einem Vortrag im psychiatr.Verein zu Berlin. S. Bd. 62, S. 431. Zeitschrift für Psychiatrie. LXIII, 6.

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aufgefallen, daß bei einer Abart des Alkoholdeliriums, die mehr chronisch, mit geringerer Heftigkeit und Verworrenheit der Sinnestäuschungen, ohne kritischen Abschluß, besonders aber mit verhältnismäßig sehr geringen motorischen Erscheinungen einherging, gewisse Störungen der Sprache sich zeigten und mit dem Abschluß des Deliriums wieder verschwanden, die von dem beim schweren Delirium tremens gewöhnlichen Versprechen und Silbenstolpern verschieden waren. Doch wurden diese Beobachtungen nicht systematisch verfolgt, bis ein besonders ausgesprochener Fall zu einer eingehenderen Beachtung aufforderte. Seitdem unterwarf ich jeden geeigneten Deliranten einer Aphasieprüfung und fand bald zwei andere Kranke, die bei ähnlicher Erscheinungsform der Psychose an derselben Art der Aphasie litten, und bei denen sogleich bei der Aufnahme hinsichtlich dieser Störung eine günstige Prognose gestellt werden konnte, die dann auch nach Ablauf einer Woche bestätigt wurde.

Ich möchte vorerst die drei Krankengeschichten im Auszug mitteilen und darf an dieser Stelle Herrn Geheimrat Dr. W. Sander sowie Herrn Sanitätsrat Dr. A. Richter für die Erlaubnis der Veröffentlichung meinen ergebensten Dank sagen.

Fall I.

Der frühere Maler, jetzige Gelegenheitsarbeiter H. wurde am 12. Juli 1903 auf Grund eines kreisärztlichen Attestes wegen alkoholistischer Geistesstörung zur Anstalt gebracht. Er liegt ruhig im Bett, schwitzt stark, das Gesicht ist hochrot, die Hände und die vorgestreckte Zunge zittern, im Urin ist Eiweiß vorhanden. Abgesehen von einer sehr geringen Ungleichheit im Facialis bietet die körperliche Untersuchung sonst nichts Bemerkenswertes dar, insbesondere ist keine erheblichere Arteriosklerose und keinerlei Lähmung nachweisbar. Der Kranke ist örtlich und zeitlich nicht orientiert, glaubt sich in der Eichendorffstraße zu befinden und gibt das Datum falsch an. Es bestehen Sinnestäuschungen des Gesichts und des Gehörs: Dragoner sind durchs Zimmer geritten, die Artillerie kam vorüber, auch hat er öfter wischende Bewegungen über die Decke gemacht, als wenn er Ungeziefer vertreiben wolle. Dieser deliriöse Zustand dauerte sieben Tage lang, wobei die Sinnestäuschungen des Nachts heftiger auftraten als am Tage, ohne jedoch mit der lebhaften motorischen Unruhe verbunden zu sein, die sonst bei Alkoholdelirien gewöhnlich ist. Das Delirium endete nicht mit einem kritischen Schlafe, sondern ging allmählich in den normalen Zustand über. Nach zwölf Tagen war der Urin wieder eiweißfrei, die Stauungserscheinungen waren zurückgegangen und der

Kranke konnte wieder aufstehen. Die Erinnerung an die Erlebnisse des Deliriums war eine verhältnismäßig gute.

Anamnestisch wurde folgendes in Erfahrung gebracht: eine erbliche Anlage ließ sich bei ihm nicht nachweisen, dagegen ein allmählich steigender Alkoholmißbrauch verbunden mit Alkoholintoleranz, welche übrigens schon einmal vor mehreren Jahren einen deliriösen Zustand bei ihm ausgelöst hatte, der in der Charité behandelt wurde. Eine Kopfverletzung erlitt er nicht, ebenso will er keine syphilitische Infektion durchgemacht haben, dagegen hatte er Mitte und Ende der neunziger Jahre mehrere Male Krampfanfälle, die mit voller Bewußtlosigkeit einhergingen, zu kleinen Verletzungen führten und vollständige Amnesie zurückließen. Über den Ausbruch des Deliriums erzählte dann die Schwester des Kranken, daß er etwa vierzehn Tage vor Einlieferung in die Anstalt verändert gewesen sei, er habe nachts schlecht geschlafen, in der Wohnung umher gesucht und bei Fragen und Antworten Worte gebraucht, deren Sinn unverständlich gewesen sei. Er habe einmal von ihr ein Schiebetuch verlangt und dies mehrmals ärgerlich wiederholt. Dabei habe er noch immer getrunken, in den letzten Nächten sei der Zustand heftiger geworden, zuletzt sei er mit der Sprache gar nicht mehr fertig geworden, sei mit Feuer gefährlich umgegangen und deswegen zur Anstalt gekommen.

Es bleibt nun noch übrig, die Sprachstörung zu beschreiben, welche dieses an sich wohl charakterisierte Alkoholdelirium begleitete. Sie fiel schon in der Unterhaltung auf, indem der Kranke die Worte ausließ, danach suchte und paraphasische Wortbildungen gebrauchte, dabei war das Sprachverständnis erhalten, denn Aufforderungen einfacher Art befolgte er richtig. Aufforderungen schwieriger Art hat er, während er sie an den letzten Tagen des Deliriums richtig ausführte, am zweiten Tage häufig verkehrt gelöst. Er zeigte dabei eine vollständig apraktische Reaktion. Als er ein Licht anzünden soll, führt er das brennende Streichholz an den Griff des Leuchters, dann versucht er, nachdem er das Streichholz weggeworfen, die Streichholzschachtel oben auf das Licht zu stecken, wie man sie etwa auf einen Streichholzständer stecken würde. Zu ähnlichen falschen Handlungen kommt er, als er aufgefordert wird, sich die Hände zu waschen. Daran, daß er sofort richtig zum Waschbecken geht und die Seife nimmt, ist zu erkennen, daß er den Auftrag verstanden hat; dann aber nimmt er die Seife und hantiert damit am Griff des Wasserhahnes herum und bohrt mit diesem in die Seife hinein, er wird daran verhindert, sagt selbst ärgerlich: „jawohl, jawohl", wickelt aber dann die Seife in das daneben hängende Handtuch und legt alles zusammen in das Waschbecken. Die spontane Schrift war gestört und paragraphisch, nachgeschrieben wurde aber richtig, wie auch der Sinn des Geschriebenen in einigen Fällen richtig verstanden wurde. Das Nachsprechen war auch nicht gestört, Gegenstände, die der Kranke vorher völlig paraphasisch benannte, nannte er richtig nach, wenn es ihm vorgesprochen war. Mit dem Verschwinden der Sinnestäuschungen und überhaupt des deliriösen

Zustandes trat auch die Sprachstörung zurück, um wenige Tage nachher ganz zu verschwinden. Am deutlichsten trat das aphasische Verhalten in die Erscheinung, wenn man dem Kranken Gegenstände vorlegte und sie benennen ließ. Ein Auszug aus drei Protokollen wird dies am besten kennzeichnen.

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