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Unter den Sinnestäuschungen herrschen zweifellos Halluzinationen vor; am Vorhandensein von Illusionen kann gezweifelt werden. Es bestanden Halluzinationen des Gesichts und Gehörs. In der ersten Zeit waren auch Halluzinationen des allgemeinen Sensoriums vorhanden. Die Halluzinationen spielten sich sehr schnell ab.

Die Perzeptionsfähigkeit war bei unserem Patienten nicht vollständig gestört; es kann jedoch mit absoluter Sicherheit angenommen werden, daß in der zweiten Krankheitswoche viele äußere Eindrücke nicht zum Bewußtsein des Patienten gelangten.

Die Aufmerksamkeit des Patienten war zeitweilig, besonders in den ersten Krankheitstagen, zweifellos vorhanden. Darin stimmen wir mit Orschansky (S. 353) vollständig überein, daß während einer halluzinatorischen Verwirrtheit dennoch bis zu einem gewissen Grade Apperzeption möglich ist - ein Faktum, das von Fritsch (S. 37), Konrad (S. 525) und Mayser (S. 124) bestritten wird.

Das Bewußtsein war bei unserem Patienten stark herabgesetzt, er versuchte es aber, gestellte Fragen zu beantworten, konnte aufmerksam sein und reagierte auf die Halluzinationen. Alles dieses weist darauf hin, daß das Bewußtsein des Patienten nicht in hohem Maße herabgesetzt war. Zu der Zahl der Ursachen der Bewußtseinsstörung muß der Umstand gerechnet werden, daß die Perzeption durch Halluzinationen gestört wurde, die schnell wechselten und nicht folgerichtig waren. Was das Gedächtnis anbetrifft, so war es in den ersten Krankheitstagen gut erhalten, und in dieser Beziehung bestätigt sich die Ansicht Fürstners (S. 531) vollständig, daß das Gedächtnis bei Patienten mit halluzinatorischer Verwirrtheit sogar vollständig normal bleibt. Im weitern Verlauf aber trat, übereinstimmend mit den Beobachtungen von KrafftEbing (S. 87) und Schönthal (S. 652), ein Verlust des Gedächtnisses ein, der der Bewußtseinsstörung des Patienten parallel verlief.

Die Stimmung unseres Patienten wechselte recht oft. Zeitweilig war die Gemütsstimmung indifferent, was auch Schüle und Wille (S. 342) in ihrem Falle bemerkt haben. Am häufigsten war Patient furchtsam.

Bei der Untersuchung der Ursachen, die die Entstehung der Psychose begünstigen konnten, mußten wir besonders auf

die gleichzeitige Affektion des Auges unsere Aufmerksamkeit richten.

Der Zusammenhang einer Psychose mit einer Augenerkrankung gilt teilweise für spezifisch, und es werden derartige psychische Störungen unter der Rubrik "Psychosen infolge von Augenverletzungen" angeführt, wobei eine derartige Bestimmung als genügend angesehen wird.

Als hauptsächlichste ätiologische Bedingungen gelten in diesem Falle der Aufenthalt im Dunkeln und das Fehlen von Gesichtseindrücken; deswegen werden auch derartige Psychosen „Dunkelzimmerdelirien" genannt (vgl. Weick S. 33).

In unserem Falle waren diese Bedingungen vorhanden, und zwar litt unser Patient an einem Augenleiden, es fehlten bei ihm Gesichtseindrücke, und er befand sich in einem dunklen Zimmer.

Aus diesen Gründen könnte man sich auch vollständig mit dieser klaren und allgemein anerkannten Definition zufrieden geben und die erwähnte Störung eine „postoperative Psychose infolge einer Augenverletzung" nennen. Eine derartige Diagnose erscheint aber bei eingehenderem Studium der Kasuistik der hierher gehörenden psychischen Erkrankungen als wenig verlockend.

Wenn man die diesbezüglich publizierten Krankengeschichten durchsieht, stößt man auf äußerst verschiedenartige Psychosen.

Dupuytren (1828) richtete als erster sein Augemerk darauf, daß einige von ihm operierte Patienten sehr lustig waren, sich viel bewegten und zu Schwatzhaftigkeit neigten. Gleichzeitig irrten sie sich in der Orts- und Zeitbestimmung und erkannten die sie umgebenden Personen nicht. Der obere Teil des Körpers dieser Patienten war zu dieser Zeit mit Schweiß bedeckt, die Augen glänzten, und die Schmerzempfindung hörte vollständig auf. Diese Erkrankungen nannte der Autor nervösen Wahn" und beobachtete bei denselben tödlichen Ausgang.

Frankl-Hochwart behauptet, daß man hierbei vier Formen von Psychosen unterscheiden kann, und zwar:

1. Halluzinatorische Verwirrtheit.

2. Senile Verwirrtheit.

3. Formen von Geistesstörungen bei Alkoholikern und

4. Inanitionspsychosen, die gewöhnlich letal verlaufen.

Fabian beschrieb eine transitorische Manie mit epileptischer Grundlage. Berry teilte einen Fall mit, der dem von Fabian beschriebenen Fall analog war.

Schmidt-Rimpler sah eine viertägige Psychose, in der Symptome von Zerstreutheit, Furcht und Halluzinationen vorherrschten.

Sichel und Lanne publizierten die Beschreibung einer Geistesstörung ihrer Patienten, die sie „nervösen Wahn“ nannten, und deren Besonderheiten in einem Unvermögen sich zu orientieren, in Verfolgungswahn und in dem Wunsch bestanden, schneller nach Hause zu gelangen.

Schnabel spricht von akut entstandenen und schnell vergehenden Wahnideen bei seinen Patienten.

Kretschmer nennt diese Geistesstörungen transitorische Psychosen, geht aber nicht auf die Einzelheiten des klinischen Bildes ein.

Szumann beobachtete eine Dementia acuta mit protrahiertem Verlauf.
Seitz sah einen Anfall von maniakalischer Tobsucht.

Simi und Bobone erwähnen ein délire opératoire.

Poncet sah Wahnvorstellungen bei einem seiner Patienten, dem es immer schien, daß sein Auge wiederhergestellt sei.

Zehenter und Warlomont beobachteten bei ihren Patienten eine ungewöhnliche Aufregung, so daß sie sich gezwungen sahen, die Zwangsjacke anzuwenden.

Lanne, Magne, Gorezki, Véné, Valude, Santos-Fernandez, Simi und Rau nennen die Psychose der von ihnen Operierten „nervösen Wahn“. Hirschberg gibt an, daß sein Patient an Säuferwahnsinn litt. Lunkewitsch beschreibt eine akute Manie bei einem seiner Patienten. Ryndowsky sah in einem analogen Fall grauenerregende Wahnvorstel

Jungen.

Webster behauptet, daß sein Patient unter klinischen Erscheinungen einer Dementia zugrunde ging. Sie äußerte sich darin, daß der Patient erregt war, Gedächtnisschwäche zeigte und beständig den Verband abriẞ. Marlier sah unter denselben Bedingungen einen Anfall von Melancholie mit Stupor verbunden.

Rau beobachtete ein zeitweiliges Irresein.

Wecker und Cambel beobachteten Wahnvorstellungen bei ihren Patienten. Löwy sah einen Erregungszustand wie bei senilem Schwachsinn. Fromaget sah Wahnvorstellungen, Irresein und verschiedene Wahnideen. Diesen Zustand der Patienten, der sich nach überstandener Operation entwickelte, nennt er „Traumwahn".

Weick beobachtete bei drei Patienten halluzinatorisches Irresein. Dasselbe sah Michel.

Was die Erkrankungen des Auges selbst anbetrifft, so konstatieren die Autoren, die der Verletzung des Auges in der Ätiologie der psychischen Erkrankungen eine so große Bedeutung zumessen, bisher noch nicht, welcher Teil des Augapfels in einem derartigen Fall sich als besonders empfindlich darstellt, so daß

Zeitschrift für Psychiatrie. LXIII, 5.

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seine Verletzung am gefährlichsten für die psychische Gesundheit ist.

Beim Patienten von Dupuytren trat die Psychose nach einer Parazentese der Cornea ein.

Der von Griesinger erwähnte Patient (von Herzog operiert) erkrankte an einer Geistesstörung nach einer Transplantation der Sehnen der Mm. recti zur Korrektur des Schielens.

Santos-Fernandez, Rau, Guende, de Wecker, Valude, Löwy, Fromaget, Cambel, Magne, Schnabel, Kretschmer, Marlier, Landsberg, Elschnig, FranklHochwart, Lanne, Warlomont, Gorecki, Lunkewitsch, Ryndowsky, Webster und Weick beobachteten eine Geistesstörung nach Kataraktoperationen.

Schmidt-Rimpler sah Geistesstörung bei syphilitischer Iritis und bei

Iridochoroiditis.

Geistesstörung nach einer Iridektomie bei Glaukom beobachteten Hirschberg, Frankl-Hochwart (11,27 Fälle), Webster und Valude.

Elschnig beobachtete eine psychische Erkrankung nach Excochleation eines Corneaulcus.

Webster sah eine psychische Störung bei Panophthalmitis.

Über Geistesstörungen nach Enucleatio bulbi berichten Frankl-Hochwart (5,29 der Fälle) und Truelle.

Fabian beobachtete eine Geistesstörung bei einem Arbeiter nach einer Verwundung des Auges durch einen Eisensplitter, der die Cornea so breit perforiert hatte, daß durch die klaffende Wunde die Iris vorgefallen war.

Simi sah bei zwei Patienten Delirien, die sich nach einer Trepanation der Cornea entwickelt hatten.

Szumann beschrieb eine Geistesstörung bei einem Patienten, bei dem der Bulbus oculi perforiert werden mußte, nachdem ein ins Auge geratenes „Etwas“ eine Reizung des Augapfels hervorgerufen hatte.

Poncets Patient litt an „nervösem Wahn", nachdem er sein Auge infolge eines Traumas eingebüßt hatte.

Es haben also verschiedene Augenerkrankungen, die eine Entfernung des ganzen Augapfels erfordern, oder auch Erkrankungen einzelner Teile des Augapfels oder des oculomotorischen Muskelapparates eine Geisteserkrankung zur Folge.

Einige Autoren sind bemüht, die Bedeutung der Augenoperationen in der Ätiologie der hierbei entstehenden psychischen Störungen genauer zu erklären.

Kräpelin schreibt den Lichtempfindungen eine gewisse Rolle zu, die den Operierten fehlen, da sie sich in einem dunklen Zimmer aufhalten müssen.

Eine gleichartige Ansicht sprechen de Wecker, Landolt, Schnabel, Guende, Motais, Krafft-Ebing, Hirschberg, Parinaud, Truelle, Weick und Valude aus.

Marlier, Santos-Fernandez und Hirschberg glauben hieran fest, da in ihren Fällen sofort Heilung der Psychose eintrat, nachdem der Verband vom Auge entfernt worden war.

Löwy ist auch der Ansicht, daß die Ursache für die Wahnideen in dem die Augen verdeckenden Verbande zu suchen ist. Die hierdurch entstehende Dunkelheit veranlaßt, nach der Ansicht des Autors, den Patienten dazu zu schlafen, und der Schlaf begünstigt Wahnideen.

Dem Fehlen von Licht und von Gesichtseindrücken messen SchmidtRimpler und Frankl-Hochwart im Sinne eines ätiologischen Momentes der Psychose eine wichtige Bedeutung zu.

Diese Erklärungen erwecken jedoch starke Zweifel an ihrer Bedeutung.

Das Licht fehlt in den Zimmern, in denen sich derartige Patienten aufhalten, durchaus nicht absolut, und von einer totalen Finsternis, in der man in der Tat nichts unterscheiden kann, wird in den diesbezüglichen Krankengeschichten auch gar nicht gesprochen.

Der Patient von Schmidt-Rimpler z. B. wurde nicht in einem absolut dunklen, sondern in einem halbverdunkelten Zimmer untergebracht, in dem man deutlich größere Gegenstände unterscheiden konnte.

Die Erkrankung seines Patienten erklärt Fabian durch den Einfluß des Kontrastes von Dunkelheit und hellem Tageslicht. Im dunkeln Zimmer jedoch wurde sein Patient gar nicht gehalten, und es fehlten ihm daher weder Licht- noch Gesichtseindrücke. Was den Patienten von Szumann anbetrifft, so wird gar nicht erwähnt, daß er sich in einem dunkeln Zimmer aufhielt. Dasselbe kann von einigen Fällen Hirschbergs, Schnabels, Poncets, Seitz und Elschnigs gesagt werden, in denen die Verdunkelung nur kurze Zeit dauerte und hierbei genügend Licht vorhanden war, so daß der Patient sich in der Umgebung vollständig orientieren konnte.

Andere Autoren wieder schreiben die Psychosen außer dem Fehlen von Licht- und Gesichtseindrücken auch noch anderen. zufälligen Ursachen zu.

Krafft-Ebing, Véné, Truelle und Rau behaupten, daß derartige Patienten gewöhnlich erblich belastet sind, unentwickelt sind oder zur Zahl der Idioten oder Hysterischen gehören.

Parinaud, Simi, Cambell, Wecker, Arlt, Schnabel und Landsberg schreiben der Angst und Erregung eine bedeutende Rolle zu, die ja sehr schwer auf das psychische Gleichgewicht der Patienten einwirken.

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